Das Jahr der Quitten

Klimatisch war das zurückliegende Vegetationsjahr für unseren Erfahrungshorizont ein besonderes. Möglicherweise wird es aber für kommende Jahre ein eher typisches sein. Frühjahr und Sommer gaben sich bis Ende August heiß und trocken. Es gab kaum oder keine Spätfröste im Mai. Die Beeren und sehr frühe Apfelsorten gaben guten Ertrag. Ab Anfang August regnete es. Wir erlebten auch Schadregenereignisse. Auf Grund der Trockenheit konnten sich pflanzliche Schädlinge nur wenig entwickeln. Die meisten Apfelsorten, besonders die auf den Sommerseiten, erholten sich aufgrund des Wassermangels und der hohen Temperaturen bis zur Reife nicht mehr. Die Früchte blieben klein, bekamen durch die starke Abendsonne Sonnenbrand oder fielen vor der Reife vom Baum. Auf den Winterseite (die sonnenabgewandten Seiten)  gab es dagegen gute Erträge. Weniger solare Strahlung, mehr Tau und bodennahe, wasserführende Schichten sorgten für gute Bedingungen für die Obstbäume. Freunde des Traubenweines oder auch des Traubensaftes sollten sich das Jahr 2022 merken. Rebstöcke wurzeln in Tiefen bis 17 Meter im Boden. Sie können sich so mit Wasser aus tieferen Bodenschichten versorgen. Die hohe Sonnenscheindauer sorgte für hohe Zuckerwerte in den Trauben. Hohe Erträge und hohe Saftausbeute, geschätzt anhand des Anteils der in der Mosterei zu Traubensaft verarbeiteten Mengen, und gesunde Früchte waren eine Freude für viele Rebstockbesitzer.

Für eine ganz besondere Überraschung sorgten aber die Quitten. Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit diesen Früchten im Anbau und der Verarbeitung. Schon jetzt lässt sich sagen: In noch keinem Obstjahr habe ich Quitten in diesen Menge erlebt. Hinzu kommen die große angelieferte Vielfalt, die besonderen Qualitäten und die hohe Saftausbeute. Mit 60% Saftausbeute reichen die Quitten fast an Äpfel heran. Der Zuckergehalt, fachlich das Mostgewicht, liegt bei 45 bis 50 Grad Oechsle fast gleichauf mit dem von Äpfeln. Die Früchte sind weicher und der Gerbstoff- und Eiweißgehalt ist geringer als in anderen Jahren. In Geruch und Geschmack sind sie hocharomatisch. Die Noten von Zitrusfrüchten, Honig und Vanille sind unvergleichlich.

In den 1990iger Jahren fast vergessen, kommt der Anbau von Quitten anscheinend wieder in Schwung. Als Reaktion auf die zu erwartende klimatische Entwicklung wäre das auch meine Empfehlung. Quittenbäume oder -sträucher stammen aus Vorderasien und sind an hohen Temperaturen und Sonneneinstrahlung gewöhnt. Ein Großteil der Weltquittenproduktion stammt derzeit aus der Türkei. Man schätzt weltweit etwa 700 bekannte Quittensorten. Das Obst blüht als letztes Baumobst im Obstjahr. Damit entgeht es den Spätfrösten im Mai. Es ist anspruchslos und wenig anfällig gegen Schädlinge. Durch die späte Reifezeit ist es aber feuerbrandgefährdet. Mit entsprechenden Züchtungen soll die Feuerbrandanfälligkeit minimiert werden. Spät einsetzenden Niederschlag kann die Quitte, anders als der Apfel, sofort in die Fruchtausbildung umsetzen. Bleibt noch die Verarbeitung zu bedenken. Bei größeren Mengen ist die Haushaltsküche schnell überfordert. Dafür gibt es in unserer Gegend aber ein dichtes Netz von Kleinmostereien, die aus Quitten Saft pressen. Tipp: Der Saft schmeckt am Anfang säuerlich. Wer das nicht so mag, der sollte einfach ein halbes Jahr abwarten und den Saft dann genießen. Die Gerbsäure ist nicht stabil. Sie baut sich ab. Der Saft schmeckt nach einiger Zeit süßer. Quittenweinfreunde dürfen sich auf einen guten Jahrgang 2022 freuen!

Alexander Pilling, Obstweinkellerei Röttelmisch     

Streuobst-Koordinator Saale-Holzland

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